1.HAMNET-Tagung in Nürnberg
Am 10.10.2015 fand in der Technischen Hochschule Nürnberg die 1. (inter-)nationale HAMNET-Tagung statt. Ausrichter waren die DL-IP-Koordination, das VUS-Referat des DARC e.V. und die EFI-Fakultät der Technischen Hochschule Nürnberg. Es waren ca. 120 Gäste aus Mitteleuropa angereist, um sich über das Thema HAMNET zu informieren und Erfahrungen auszutauschen. Die Teilnehmer beschäftigten sich vorwiegend mit recht speziellen Problemen. DD9QP gab zunächst einen Überblick über die Entwicklung und den jetzigen Status des HAMNET und die Betrachtung aus internationaler Sicht. Das HAMNET ist mittlerweile der weltweit größte und aktivste Nutzer des weltweiten IP-Netzes 44.0.0.0/8 (ampr.org). Dieses sogenannte 44er-Netz ist dem Amateurfunkdienst weltweit exklusiv zugewiesen und wird von einer eigens gegründeten, aus Funkamateuren bestehenden Foundation gehalten. Anschließend gab es von DG8NGN und OE2LSP Vorträge und Präsentationen zu den Themen Router-Konfiguration und Umgang mit der HamnetDB, zu Anwendungen im Hamnet sowie über technische Hintergründe zur Abdeckungsvorhersage der Benutzereinstiege. Nach der Mittagspause berichtete DH3WR noch über die Vielfalt der Anwendungen im HAMNET. Die Zusammenarbeit mit Hochschulen, z. B. in Nürnberg, Aachen und Duisburg-Essen, ist außerordentlich wichtig - sowohl für die Infrastruktur als auch für Entwicklungsarbeiten. Es gibt Institute, die passende Teilprojekte als Arbeiten für Studenten ausschreiben.
Einen breiten Raum nahmen Diskussionen und der Informationsaustausch untereinander zu technischen Entwicklungen in den einzelnen Regionen ein. So gab es aus zwei Regionen Berichte über Versuche mit Mesh-Netzen und ein darauf zugeschnittenes, speziell erweitertes OpenWRT-Derivat, das auf gebräuchlichen Routern aufgespielt werden kann. Mittlerweile gibt es in fast allen Distrikten Aktivitäten. Das heißt natürlich nicht, dass es flächendeckend Benutzerzugänge gäbe oder das HAMNET schon ganz ohne Internet-Linkstrecken auskäme. Aber die Inseln wachsen zusammen. Christian Entsfellner, DL3MBG, erklärte, der DARC-Vorstand wolle die Mittel aus den Pro-Mitgliedschaften im kommenden Jahr dem HAMNET-Ausbau widmen. Priorität solle dabei haben, Teile des Netzes von fremder Infrastruktur unabhängig und notfunktauglich zu machen.
Natürlich kam auch die Frage nach den neuen IPv6-Adressen auf. Abgesehen von kleineren Experimentalnetzen, die in einzelnen AS bereits testweise lokal betrieben werden, werden wir aber noch länger bei IPv4 bleiben können, denn wir haben erst einen kleinen Teil der für den Amateurfunkdienst verfügbaren IPv4-Adressen in Gebrauch. Im Gegensatz zur Internetwirtschaft stehen uns noch ausreichende Mengen an IPv4-Adressen zur Verfügung. Diese sollten auch genutzt werden, um keine Begehrlichkeiten aus dem kommerziellen Bereich aufkommen zu lassen.
IPv6 wird im HAMNET derzeit AS-übergreifend nicht geroutet. Ein Problem stellt die weltweite Zuweisung eines exklusiven IPv6-Netzes für den Amateurfunkdienst dar. Aus Sicht der Teilnehmer macht es aus vielerlei Gründen keinen Sinn, kommerzielle Netze unterschiedlichster Herkunft dafür zu verwenden, denn sie "gehören" uns nicht und machen unser Netz abhängig von wirtschaftlichen Interessen anderer. Jann DG8NGN berichtete von dem Vorstoß des DARC bei der letzten IARU-Tagung, sich für eine weltweite, exklusive Zuweisung einzusetzen. Thomas DL9SAU rief noch einmal seinen Vorschlag von einer der letzten IPRT-Tagungen in Erinnerung, wie man für Versuchszwecke vorerst bei der Verwendung von IPv6-Adressen vorgehen könnte.
Es wurde am Beispiel von Echolink über Inkompatibilitäten bei der Nutzung des HAMNET berichtet, die dadurch entstehen, dass z.B. in PA0 einzelne 44er Teilnetze per BGP im Internet announced und darin erreichbar gemacht wurden. Dies führt beispielsweise zu Routingproblemen bei Echolink-Repeatern, die im HAMNET liegen. Im Internet erreichbare Echolink-Proxies mit 44er IP-Nummern sind für die entsprechenden User solcher Repeater nicht nutzbar, weil es kein verlässliches Routing mehr zwischen den Proxies und den Repeatern gibt. Leider gibt es Handy-Apps, auf denen diese Proxies (per default?) zur Einstellung vorgeschlagen werden. Jann DG8NGN stellte als Hotfix einen Workaround vor und wies darauf hin, dass die Situation sich drastisch verschlimmern könnte, wenn weltweit unkoordiniert beliebige Netzsegmente des 44/8 Netzes plötzlich im Internet announced werden. Der Ansatz, das HAMNET als geschlossenes Intranet für Funkamateure zu betrachten, wird so möglicherweise ebenfalls unterlaufen. Für die User gilt derzeit als sicherste Empfehlung, auf andere Proxies im Internet auszuweichen. Hier besteht auf internationaler Ebene noch Kommunikationsbedarf mit dem Ziel einer koordinierten Lösung. Obwohl ich vor der Tagung versucht hatte, auch die niederländischen HAMNET-Administratoren (allen voran Rob Jansen PE1CHL) für die Tagung zu gewinnen, sind sie unter Hinweis auf Sprachbarriere und Entfernung leider nicht gekommen. Rob machte statt dessen vorab den Vorschlag, weitere HAMNET-Tagungen auch per Live-Stream im HAMNET oder Internet zu übertragen.
Zahlreiche Teilnehmer vermissten eine "zentrale" Kommunikationsplattform, mit der man zwischen den Veranstaltungen über die angesprochenen Probleme und Entwicklungen diskutieren kann. Nicht alle Mitglieder sind wirkliche Freunde von Foren oder Diskussionen in Wikis. Man einigte sich darauf, die Nutzung der von der IP-Koordination DL betriebenen Mailingliste zur AS-Koordination als Einstieg zu nutzen.
Die während der Tagung großzügig eingeplanten Kaffeepausen dienten der Kontaktaufnahme von Betreibern automatischer Stationen und zum Austausch von technischem Wissen in Bezug auf das HAMNET. In einem abschließenden, ersten Feedback sprach sich eine deutliche Mehrheit aller Teilnehmer für eine Fortsetzung der Veranstaltung im nächsten Jahr aus. Besonders gefreut haben uns einige persönliche Verabschiedungen von Teilnehmern, die meinten, sie hätten es nicht bereut, die weite Anreise auf sich genommen zu haben.